Die Donauquelle Donaueschingen

Dunkle Wolken am Himmel, ein drohendes Gewitter, 800 Exilungarn aus ganz Europa standen rings um die Donauquelle und sangen laut die ungarische Nationalhymne. Es war bewegend. Sie feierten in Donaueschingen am 8. Juni 1996 ihren Nationalfeiertag, das 1100 Jubiläum der „Landnahme“, an der Quelle „ihrer“ Donau! - Ein gewaltiger Wolkenbruch ließ uns danach alle Schutz suchen in der Kirche über der Quelle, in St. Johann. – Die Ungarn wissen, wo die Donauquelle ist. So wie alle Donau–Anliegerstaaten auch, die auf speziellen Tafeln dort der Quelle ihre Reverenz erweisen.

Weil die Donauquelle etwas Besonderes ist, hätten sie auch andere gerne. Aber das kann nicht gelingen. Der Grund dafür ist einfach die Geschichte, und das kann man erklären:

Der Geschichtsschreiber Herodot bezeugt die Donauquelle schon im 5. Jh. vor Christus. Im Jahr 15 v. Chr. schreibt der Geograph Strabon: Der römische Feldherr und spätere Kaiser Tiberius ritt vom Bodensee gen Norden und fand dort „nach einer Tagesreise die Quellen der Donau“. Tatsächlich: Der Fürstenbergische Park in Donaueschingen ist heute noch ein riesiges Quellgebiet: Das Wasser kommt nachweislich aus mehreren Richtungen. Aus den 15 Karst-Aufstoß-Quellen dieses Quellgebiets entspringen mehr als 1000 Liter pro Sekunde. Die berühmteste davon ist mittendrin die Donauquelle mit 50-150 Sekundenlitern. Misst man alle Parkquellen zusammen, so ergäbe das ein stattliches Flussbett. So kann man sich lebhaft vorstellen, wie das zu Tiberius Zeiten – noch ohne Drainagen und ohne Brücken – ausgesehen hat. –

Donauzusammenfluss

Der Donaubach floss in Windungen von zwei Kilometer Länge in Richtung des Zusammenflusses von Brigach und Breg.

Auch Plinius der Ältere gibt eine genaue Beschreibung des Donauursprungs ab. Besonders markant berichtet 1493 die Schedelsche Weltchronik: „Die Thonaw, der berümbtist fluß Europe entspringt auß dem Arnobischen berg bey anfang des Schwarzwalds in einem Dorff Doneschingen genannt und fleußt vom nydergang gein dem orient…“ - Kann es stärkere Beweise für die Anerkennung der Donauquelle geben? -. Der Kosmograph Sebastian Münster – die Google-map des Mittelalters - zeichnet 1538 die Donauquelle in Donaueschingen als „fons danubii“ in einem Viereck mit dem Abfluß „Danuvius“, dem Donaubach. Er erläutert: Brigach und Donaubach bilden die Donau, und ab dem Zusammenfluss beginnt die Kilometerzählung. - Für den Reisenden ist es heute eine Freude: Im Palazzo Vecchio in Florenz haften auf den historischen Garderobeschränken die berühmten Weltkarten. Europa ist dargestellt, und im Zentrum ist die Donauquelle natürlich in Donaueschingen zu sehen!

Die Geschichte hat der Quelle ihren Namen gegeben. Dem entsprach auch die Quellenverehrung: Quellen galten als wichtige Punkte, als heilige Orte. Die Nähe einer Kirche an einer Quelle gilt in der Geschichte überall als wichtiger Hinweis für deren Verehrung. In Donaueschingen ist es die Kirche St. Johann. Nach Johannes dem Täufer (dem Quellenheiligen) benannt, wurden an dieser Stelle nacheinander drei Kirchen gebaut, die heutige ab 1722 im böhmischen Barock. – Und schließlich unterstreicht der Name unserer Stadt, “Donaueschingen“, den Herkunftsort der Donau, und das von Anfang an.

1790 entstanden für den Donaubach Probleme: Die Brigach wurde begradigt und 1828 der Park drainiert. Der Donaubach wurde verlegt und unterirdisch als Kanal in die Brigach geführt. Die Quelle selbst erhielt nun eine runde Einfassung und 1895 die schöne Skulptur von Adolf Heer mit der Mutter Baar, welche ihrer jungen Tochter Donau den Weg zum Schwarzen Meer weist.

Ein Wort zur Breg: Sie ist der längste Zufluss. Aber soll nur deshalb nach mittlerweile mehr als 2000 Jahren die Donauquelle in Donaueschingen angezweifelt werden? Der Würzburger Zahnarzt Dr. Öhrlein hat 1954 eine Expertise gefertigt und Furtwangen die „wahre“ Donauquelle zugesprochen. Damit übertreibt er. In der weltweiten Diskussion von Flüssenamen ist das Entscheidende regelmäßig die historisch gewordene Bezeichnung. Wollte man nur der „Logik des längsten Zuflusses“ folgen, müsste bei ganz vielen Flüssen eine Umbenennung der Quellorte stattfinden: Weil der Missouri der längere Zufluss ist, müsste die Missouriquelle in Mississippiquelle umbenannt werden, genauso müsste dann die Brahmaputraquelle in Gangesquelle, die Moldauquelle in Elbequelle, ja sogar hier im Landkreis die Eschachquelle bei Aichhalden in Neckarquelle umgetauft werden! Die Schwenninger würden sich wundern! –Die Idee von Dr. Öhrlein haut einfach nicht hin.

Das Kultusministerium unseres Landes hat deshalb schon einmal, 1965, offiziell erklärt: „Die Bregquelle ist nicht als eigentlicher Donauursprung anerkannt. –Größe, Wasserführung und Lauflänge der einzelnen Quellflüsse sind für die Benennung der einzelnen Gewässer nicht immer entscheidend, die Namen sind vielmehr altersher übernommen.“ Auch Innenminister Herzog, der spätere Bundespräsident, hat 1981 bestätigt: „Die Bregquelle wird in den amtlichen Reisekarten nicht mehr als Donauquelle eingetragen. Das Landesvermessungsamt wurde entsprechend angewiesen.“

Auch der stärkste Zustrom ist nicht überall entscheidend: Der wasserreichste Zufluß der Donau ist der Inn, aber trotzdem ist der Inn nicht etwa der „wahre Quellfluß“ der Donau. Genauso wie die Hauptstädte auf der ganzen Welt nicht nach ihrer Größe bestimmt werden. Geschichte schafft Fakten. Auch die Namensgebung von Flüssen und Quellen richtet sich nach der Geschichte. Sie kann nach 2000 Jahren nicht einfach umgeschrieben werden. Dieser Vorsprung ist uneinholbar.

Deshalb wird es auf der ganzen Welt bei den historisch anerkannten Namen von Quellorten bleiben. Historiker, Geographen und Ministerien auf der ganzen Welt erkennen an, was gewachsene Namen sind. So bleibt die Donauquelle in Donaueschingen.

Dr. Bernhard Everke




Die Donauquelle